Dr. Rudolf Post
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Badisches Wörterbuch, Belfortstraße 14
Universität Freiburg i. Br.
79085 Freiburg
Passeltang / Basseltang
Un wo n i uf em Schniidstuel sitz
für Basseltang un Liechtspö schnitz ...
so beginnt in Johann Peter Hebels "Alemannischen Gedichten" (1. Aufl. 1803) das Gedicht "Das Hexlein". Schon in diesen ersten Zeilen dürften bei einem heutigen Zeitgenossen Verstehensprobleme auftauchen. Vielleicht weiß er noch, was ein Schniidstuel ist, nämlich eine Art Bank, auf der man mittels eines Fußhebels Werkstücke festspannen konnte und auch die Liechtspö (Lichtspäne) mögen ihm noch als archaisches Beleuchtungsmittel bekannt sein, doch bei der Fügung für Basseltang wird es besonders schwer. Was soll das bedeuten?
Nun, schon Hebel gab seinen Alemannischen Gedichten ein Glossar bei, in dem er zahlreiche Mundartwörter erklärte, denn die "Alemannischen Gedichte" wurden ja auch außerhalb des alemannischen Sprachraums gelesen. So hat Johann Wolfgang Goethe die 2. Auflage der „Alemannischen Gedichte“ in der „Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung“ vom 13. Februar 1805 ausführlich und überaus positiv rezensiert. Noch positiver äußerte sich Jean Paul in einem Schreiben an den Herausgeber der „Zeitung für die elegante Welt“ (in Jean Paul: Sämtliche Werke, Ausgabe der preußischen Akademie, Abt. I, Band 13, S. 133-135). Wie Hebel, der auch Lesern anderer deutscher Sprachgebiete das Verstehen durch ein Glossar erleichtern wollte, machten es auch fast alle anderen Herausgeber der "Alemannischen Gedichte" und so kann man in fast jeder Ausgabe im Wortverzeichnis nachschlagen und liest dann dort: Basseltang = Kurzweil, Zeitvertreib.
Schaut man in die Großraum-Dialektwörterbücher des Süd- und Westdeutschen Raums, so findet man zahlreiche Belege für dieses Wort. Als Stichwörter sind angesetzt: Passeltang, Passletang, Passeltan, Passeletang oder Passelitang (s. die Belege weiter unten). Hier in diesen Wörterbüchern findet man auch Hinweise auf die Herkunft (Etymologie) dieses Wortes. Übereinstimmend wird dort ausgesagt, dass das Wort aus französisch (pour) passer le temps 'zum Zeitverteib' kommt. Dem ist nichts hinzuzufügen. Interessant erscheint lediglich die Integration des französischen Nasallautes in temps [tã] zu -tang. Da in den Mundarten diese Verbindung mit nasaliertem Vokal nicht vorkommt, wird der Nasal durch -ng ersetzt. Dies ist aber auch in weiten Bereichen der deutschen Umgangssprachen üblich, vgl. Beton > Betong, Balkon > Balkong usw.
Belege zu Passeltang aus den einschlägigen Dialektwörterbüchern. Sie wurden von Anna Herb abgeschrieben - herzlichen Dank!
(Bestimmte Sonderzeichen aus den Originalen, können im Folgenden u. U. nicht dargestellt werden).
Badisches Wörterbuch I, 123:
Passeltang m.: Kurzweil, Zeitvertreib; básldaŋ ›Freib.‹; für Basseltang ›Hebel‹ 7,2; fer bassletang = fer umesušt ›Wiesloch‹ hs.; for básəldə, pour passer le temps ›Hettgn‹; fa bráslədānd ›Handsch.‹ — Els. 2, 96.
Elsässisches Wörterbuch II, 96:
† Passletang [Pàslətàŋk M.; Pàslətàŋ BF.; Pàslitaŋ Hüss.; Pòslətàŋ Hf.; Pàslətà u. Pàslətàŋ Str.; Pàsləùm Mütt.; Pàslətùŋ Lobs.; Paslitàŋ Katzent.] m. Zeitvertreib. Eppes für e P. machen M. Er het Holz gschnitten für P. Mütt.,— us P. Hüss. ‚Dort babbelt au für Bassletang Der Vetter Schakopp mit em Schang‘ E. Stöber Schk. 47. ‚Denn so ebs isch for Männer, wo sunst vil Gschäfde henn, e rechder Bassledang‘ Pfm III 4. In Minversh. ist das Wort duch Volksetymologie in 2 bekannte Wörter zerlegt worden: Uf Bossel und Dank umsonst. Uf den Bossel und Dank kann ich doch dis Meiden nit bhalten! — frz. passer-(le)-temps. Schweiz. 4, 1663. F. Schwäb. 670. Pfalz.Pfälzisches Wörterbuch I, 593:
Passeltan m: 1. ‚Zeitvertreib‘, in der Verb. for Baßledaan (basle’dān) [BZ-Dernb], Basledam [Land], Basseledaan [verbr. VPf. (Nachlaß Heger)], Baßledan [PfId. 17 Guentherodt Frz. 158], Basseltang [Lambert Penns 22]. — 2. ‚Undank‘, Baasledank [KL-Gimsb u. Umg. RO-Lettw.]; volksetym. Umdeutung aus 1. — Aus frz. pour passer le temps. — Rhein. VI 543; Bad. I 123.
Rheinisches Wörterbuch VI, 543:
Passeletang das frz. pour passer le temps ist namentl. in Städten bezeugt, u. zwar vor (für) basələtaŋ Hunsr [basəl(ə)tan u. -dam Kreuzn], Siegld; -səltant Neuw-Linz; pasələtaŋ. Köln-Stdt, Dür-Stdt, Düss-Stdt, Dinsl; pasəlătant Barm vor (für) P. zum Zeitvertreib, aus Kurzweil; er racht (raucht) vor B. e Sigar. — E Vərbasələdantxə ein Zeitvertreib Goar Boppard.
Schwäbisches Wörterbuch I, 670:
Passeltan — baslẹdā, auch basld-, basləd-; badslədā neben basl- Rt./Wagn. 140; "-tang" Schm. Buck Ukbl. 2, 71, -dõ Oe., dõũ Ha., dãũ KüSimpr., dũã "Frk." — m.: Zeitvertreib. P. treiben Aug. 49. Meist für P.: zum blossen Z., in der Langeweile, ohne besondere Absicht; "umsonst" NkOedh. BoeSind. Was schaffet ihr? Antw.: F. P. ‚Was so drei Schoppa, dia haun ih sust nun so für P. trunka und haun nun nooch mai guckt‘ Neffl. 73. ‚Gelt, du möchtest nur so für p. dein’s Wegs fort und nichts schaffen‘ Auerb. 1, 247. — Frz. passe le temps. DF. 163. Swz. 4, 1663. Str. 13. Schm. 46.
Wörterbuch der Schweizerdeutschen Sprache IV, 1663:
Passelitang BsL., Passelidang SHessigk., Basselidang BE., Basslitang S (Schild), Basslidang Bs, Baselitang B hE.; ZO. (Stutz, neben Baseltang), Baselidang Gl; ZA., Grün., O., Ruml., S., Uster, Basilidang SchSt.; ZBül., Rafz (neben -gang), Passilitamm GrPr., Baselitā, P- GrvPr., Passeligang Z, Baseligang ZBub. — n.: in BsL.; S; ZZoll. m.: 1. Zeitvertreib, meist in der Verbindung für P. (für den P. BsL.; S, für’s P. B hE.), zum Zeitvertreib, zur blossen Kurzweil. Ich bin nit für den P. da BsL. Es gāt-im für (für den, für’s) P., es geht ihm für Nichtstun. Für Passeligang über Fëld gān, zum Zeitvertreib einen Spaziergang machen Z. — 2. adv., ganz gemächlich Z. Si machend’s nur eso b. ZA., S. Wenn Einer nur eso b. schafft, chunnd-er an keins Port ZZoll. Channst b. laufen, de häst nach Zīt g’nueg. ebd. — Frz. (pour) passer le temps.
Für Ergänzungen und weitere Hinweise mit Angabe der Quellen bin ich immer dankbar.
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