Dr. Rudolf Post
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Das Häß

In der "fünften Jahreszeit", also in der Zeit zwischen dem 11. 11. und Aschermittwoch, kann man in Zeitungen und Medien des südwestdeutschen Raumes - wenn von Narrenveranstaltungen, Narrenzünften, Narrenaufzügen usw. die Rede ist - immer wieder von Hästrägern, Narrenhäs, Blätzlehäs, Flecklehäs usw. lesen oder hören. Das Grund- oder Bestimmungswort Häs (ich schreibe im Folgenden aus etymologischen Gründen immer Häß) hat hier die Bedeutung 'Narrenkleid' und bezieht sich vor allem auf mehr oder weniger traditionelle Narrenverkleidungen der schwäbisch-alemannischen Fasnet, weniger auf Kostümierungen vom Typ des rheinischen Karnevals. Zugezogene, aber auch Alteingesessene werden sich dabei immer wieder einmal fragen, was es mit dem Wort Häß auf sich hat. Wo kommt es her und welche Bedeutung steckt ursprünglich dahinter? Hier soll einmal diesen Fragen nachgegangen werden.

Die Verbreitung von Häs Wenn heute das Häß in vielen Gegenden nur noch als Bezeichnung für Narrenkleidung verwendet wird, so muss dazu gesagt werden, dass es früher, aber auch heute noch, in bestimmten Teilen des Schwäbisch-Alemannischen, die Bezeichnung für Kleidung generell ist. So kann man mit Hilfe der Sprachatlanten des südwestdeutschen Sprachraumes (Sprachatlas der deutschen Schweiz, Bd. V, Karten 121-122. - Südwestdeutscher Sprachatlas, Karte IV/3.01. - Sprachatlas von bairisch Schwaben, Bd. II, Karte 147) und der einschlägigen Dialektwörterbücher ein Gebiet herausarbeiten, in dem Häß , bisweilen auch Gehäß, als Bezeichnung für Kleidung, Anzug generell gilt. Wie das hier gebotene Kärtchen zeigt, sind Teile von Baden, Schwaben, Vorarlberg und der Schweiz betroffen. Die Verbreitungsangabe gilt für die ältere bodenständige Mundart, vielerorts wird in dem gelb markierten Gebiet der Karte das Wort auch nicht mehr für Kleidung generell gebraucht. Aber im Brauchtum der Fasnet hat das Wort eine große Vitalität erlangt und ersteckt sich noch über das gelb markierte Gebiet hinaus. Für den Plural (das Wort wird nicht sehr häufig in der Mehrzahl verwendet) sind die Häß aber häufig auch die Häßer, Häser in  Gebrauch.

Schaut man in alte Schriftdokumente aus dem südwestdeutschen Raum, so finden sich zahlreiche Belege für dieses Wort, aus denen hervorgeht, dass es Kleidung und Kleidungsstücke, ja sogar Bettzeug und Wäsche bezeichnet. So steht etwa in den Überlinger Stadtrechten für das Jahr 1419, dass die Schneider von einem schlechten (schlichten, einfachen) anligenden knöpfloten häß 14 Pfennige als Lohn nehmen dürfen (Überlinger Stadtrechte, S. 104). Auch in mittelhochdeutschen Quellen ist das Wort gut bezeugt (s. Belege Mhd. Wörterbuch unten und die Belege aus anderen Mundartwörterbüchern, besonders aus dem Schwäbischen Wörterbuch und dem Schweizerischen Idiotikon). Im Mittelhochdeutschen taucht neben hæze auch eine Form hâz auf, wobei das Nebeneinander beider Formen so gedeutet wird, dass hæze als Kollektivform zu hâz anzusehen ist (vgl. unten, Artikel aus dem DWb.). Erstaunlich ist, dass trotz der guten Bezeugung in mittelhochdeutscher Zeit, bisher keine Belege aus dem Althochdeutschen gefunden werden konnten. Es gibt aber Entsprechungen im frühen Angelsächsischen: hæteru n. Pl. „Kleider“ (vgl. untenstehenden Artikel aus Holthausen: Altenglisches etymologisches Wörterbuch). Diese Form zeigt, dass unser Wort schon vor der 2. Lautverschiebung im Germanischen gebräuchlich war.

Wie ist nun die weitere Herleitung des Wortes zu sehen? Vor kurzem hat sich Werner Mezger in: Das Große Buch der Schwäbisch-Alemannischen Fasnet, Stuttgart 1999, S. 64 hierzu folgendermaßen geäußert: "Zu dem in der Fasnet so oft gebrauchten alemannischen Audruck „Häs“ für „Kleid“ sei hier übrigens am Rande erwähnt, dass er von dem sage und schreibe schon bei den Hethitern nachgewiesenen und über die Griechen zu den Römern gelangten Wortstamm „wes-“ für „Kleidung“ kommt, wie er beispielsweise im lateinischen „vestis = Kleid“ steckt. Während aus „vestis“ auf dem Umweg über das Französische unser hochdeutscher Begriff „Weste“ geworden ist, lebt die alte Wurzel „wes“ nach der geringen Lautverschiebung von „w“ zu „h“ im Alemannischen noch ganz direkt als „Häs“ fort". So weit Mezger. Richtig ist, dass unser Wort Weste über das Französische auf lat. vestis zurückgeführt werden kann und dass dies zu einem indogermanischen Wortstamm *wes- 'kleiden' gehört, doch unser alemannisches Häß hier anzuschließen, ist aus mehrfachen lautlichen Gründen (anlautendes h-, s aus germ. t, mhd. Grundform hâz) ziemlich ausgeschlossen. Auch die bisweilen zu hörende Deutung, das Wort stamme aus lat. habitus „Kleid“ ist aus den gleichen Gründen abzulehnen.

Ich schließe mich bei der Deutung der Herkunft Julius Pokorny an, der in seinem Indogermanischen Etymologischen Wörterbuch unser Wort, mit Entsprechungen im Altindischen und Avestischen, zu einer Wurzel *sked- 'bedecken' stellt (Wortartikel s. unten). Nimmt man dazu eine Weiterbildung vom Typ *(s)kēd- an, so könnte folgende lautgesetzliche Entwicklung stattgefunden haben: *kēd > germ. *hēt (1. Lautverschiebung) > ahd.*hāz (2. Lautverschiebung und Entwicklung idg. ē > ahd. ā) dies entspricht genau der Form hâz, wie sie im Mittelhochdeutschen auch bezeugt ist. Die Form hæze ist, wie oben schon angedeutet, dann als Kollektivform zu hâz anzusehen.

Auf jeden Fall ist damit unser Wort ein mundartliches Relikt aus dem indogermanischen Erbe des Deutschen  und so doch sicherlich 3000 Jahre alt.


Zur Vertiefung und Überprüfung meiner Abhandlung über das Häß, sind im Folgenden alle Wortartikel aus den einschlägigen Wörterbüchern angeführt, die etwas über unser Wort dokumentieren. Sie wurden von Anna Herb aus den Wörterbüchern übernommen - herzlichen Dank!
(Bestimmte Sonderzeichen aus den Originalen, können im Folgenden u. U. nicht dargestellt werden).

1.) Belege aus historischen Sprachwörterbüchern
Julius Pokorny: Indogerm. etymolog. Wb. I, 919:
sked- ‚bedecken‘?
Ai. chadati (unbelegt), chādáyati ‚bedeckt, verbirgt‘, chattra-m ‚Schirm‘, chadís- n. ‚Decke, Dach; av. sādayantī- ‚ein Kleidungsstück‘ (skyth. Hose?), afghan. psōtəl ‚to put on, wear‘ (*pati-upa-sad); ahd hāz m., mhd. hæze n. ‚Rock, Kleidung‘, ags. hæteru Nom. Pl. n. ‚Kleider.
WP. II 558, Holthausen Altengl. Wb. 146.
Holthausen: Altengl. etymolog. Wb., 146:
hæteru n. Pl. "Kleider", ne. hater, zu ahd. hāz m., mhd. hęze n. “Rock, Kleid(ung)”, ai čhadķ- n. “Dach, Decke”, čhādįyati "bedeckt", s. WP. II 558.

Lexer: Mhd. Wb I, 1197:
hâz
stm., hæze, hæz stn. ( I. 642b) rock, kleid, kleidung. hâz MS. (= HEINZ. 121. 28,4). in irem schambærlîchen hâz (: strâz) NETZ 12095. nu sî verwâzen mit orse und mit hâzen KRONE 19938; hæze, hæz MART. (72, 52. 73,35. 140,7). WOLK. HÄTZL. WEIST. (1, 190). MAG. cr. 118b. 151a. PF. forsch. 1,76. HELDB. H. 1. 188,168. LS. 2. 677,24. sô sond die dienstmägt ir hæsz, röck und mäntel ouch nit anders tragen noch machen, denne daz inen die blôsz uff die erden stôszint und nit lenger MONE z. 7,65 (a. 1436). vgl. 13,296. 21,214. wann wir unserm gesinde hæze geben MONE 5,252. — vgl. STALD. 2,23. SCHMID 263. BIRL. 222a.
hâzen
swv. kleiden, in behâzen.
Deutsches Rechtswörterbuch V, 232:
Häß n. Kleidungsstück. die pfaffen süllent platten han und >häss< tragen als in zugehört und auch die juden Schwsp (G.) 210. [nach dem Tod einer Frau wird gegeben] das häss und gewandt, alss sie ze kilchenn und ze strauss gienge 1359 SchwäbWB. III, 1219. möcht der bannwart einem ichzit abgebrechen, es wäre sein >häss<oder ander ding, den er nachts [frevelnd im Weinberg] begreifet, das ist des bannwarts 1444 SchweizId. II 1678. des beste vihe oder >hosz< Hanauer, Constd’Alsace 184. wan ouch ein hertzogen man von todes wegen abegat, von des guots soll syme hertzogen ein lipfall gefallen sin . . . hat er aber kein vihe, so soll im werden one ein das beste >hohs<. und das >hohs< soll des meigers und des büttels sin 1458 ZGO. 41, 580. federwatt, gebänd und verschnitten >heß< [als Ausstattung] 1490 Leutershausen/JbMittelfrk. 1, 30. ob ain hofjünger abgienge, fraw oder mann, dem gottshauß werden das best hopt und sein >häsz< . . . hette er aber unberathen sün, die nit wayber hetten, die solten desz vatters >häß< beheben von deß gotteshauss gnaden wegen Thurgau/GrW. I 267. wenn jemand stirbt, soll dessen beste >hees< der grundherrschaft anheim fallen 1782 Schmeller I 1175. s. Besthäß.

Deutsches Wörterbuch (DWb.) Bd. 10, Sp. 555:
HÄSZ, n. ein oberdeutsches, namentlich alemannisches und schwäbisches wort, mit langem ä, kleidung; mhd. hæze (wb. 1, 642b), welches wort das collectivum vom masc. hâz kleid, ist.

1) es bezeichnet nicht sowol ein einzelnes kleidungsstück, als vielmehr die kleidung sowol eines mannes als einer frau allgemein, auch die wäsche STALDER 2, 23; ebenso die betten TOBLER 258 (anderswo werden bett und häsz getrennt genannt, s. nachher); schue ond häsz die ganze bekleidung des leibes das. Im niederl. entspricht hes kittel. ob ain hofjünger abgienge fraw oder mann, dem gottshausz werden das best hopt und sein häsz, als er zuo külchen und ze hangarthen (heimgarten) goth, hette er aber unberathen sün, die nit wayber hetten, die solten desz vatters häsz beheben von desz gottshausz gnaden wegen, es soll auch einem keller das best häsz werden, als er an aim sonnentag gäht. weisth. 1, 267 (Thurgau); ob aber ain fraw abging, .. so ist dem gottshausz gefallen das best bett, und ihr häsz, als sy ze külchen und hangarten gaht an dem sonnentag; hetti sye aber unberathen dochteren, die beheben das bett und das häsz von desz gottshausz gnaden. das.; trockenes häsz. FELDER Nümmamüllers 7; das mädchen holte seine sonntagshäs. AUERBACH dorfgesch. 1, 121;

ich pin ein paur und trag an paurs hesz.
fastn. sp. 345, 11;

legten die guten kleider ab,
ir alte häsz wider anlegten,
darinn sie zu arbeiten pflegten.
B. WALDIS Esop 2, 54, 77;

weil du mit goldt gehst umb,
wolt ich gern wissen, wie das kum,
dasz du hast so zerrissen häsz;
bist gar zerhudelt umbs gesäsz.
4, 38, 37;

der mann liesz sich bereden des,
und legt bald an der frawen hesz.
4, 81, 76;

für alter wird das kleidt zerrissen,
es bringt auch maden in den käs,
es bringt auch schaden in das häsz.
WOLGEMUTH newer Esopus 2 (1623) s. 282;

die fraw die sprach mit züchten,
ich acht nicht seidener häsz.
Garg. 90a;

2) häsz heiszt auch nur das hauptkleid, oberkleid des mannes: da buckt sich der ein nider und würft das häsz oder kleidt hinden über sich über den kopf. FRANK weltb. 149a; und sol der spitz nit länger sin dann zwayer gleich lang, und das häsz, als ver ainer mit siner nider gelassnen hand geraichen mag. weisth. 1, 202 (st. Gallen, Burgau 1469);


wie glatt liegt ihm an hembt und hähs.
a. weiszh. lustg. 399.


2.) Belege aus Dialektwörterbüchern
Elsässisches Wörterbuch I, 380:
Häs(s) n. Kleid. 'Die Fraw sprach: Ich acht nicht Seidener Häss' Fisch. Garg. 133. - Schweiz. 2, 1678. Schwäb. 263. Bayer. 1, 1175.
Badisches Wörterbuch II, 570:
A Häsz (aus dem Mhd.) hääs Sunthsn, Unterbaldgn, so aber ähnlich öfters in Südbaden; jedoch abgelehnt in Neusatz, Biengen, Todtm.; haiss Singen a.H., ähnlich Worblgn, Emmgn ab Egg. Mehrz. Häßer 1895 Oberhomberg (Überlgn). - f.: 1) ‚Gewand von Mann, Frau oder Kind, regelmäßig die Kleidung als Ganzes' Schwäblishfn, Pfullend., Meersburg, Überlgn a.B., Konst., Worblgn, Singen a.H., Stahrgn, Stockach, Eigeltgn, Engen, Hattgn, Emmgn an Egg, Unterbalbgn, Sunthsn, Waldhsn (Donaueschgn), Überauchen, Villgn, Hug Vill. Chr. 140, St. Georgen i. Schw., Schollach, Löffgn, Reiselfgn, Stühlgn, "im Wiesental", Scheffel (Bong 2, 264 Z. 39) Festgruß, A. Hermann 31, Steig (Hinterzarten), Unterglottertal, Lehengericht, Hansjak. Erzb. 339, Baden-B. (1917), Würm, Pforzhm (1928, nördlichster Beleg). Bezeugt 1523. 1887 Meßkirch, aber schon 1582 durch Kleid bedroht. Üblich 1920 Freib, aber 1950 fast nur noch in der Zusammens. Flecklehäß. Sätze siehe beschnotten, Z. 14, doppel Z. 46, Gefräß Z. 64. - 2) kleine Sonderbedeutungen. a) ‚Trachtenkleider' Weiler (Vill.), Gengenbach. - b) ‚bodenständige Fastnachtkleidung' Überlgn a.B.; ins Häs gehen ‚beim Fasching mitmachen' Vill. Vgl. Bletzlehäß. - c) ‚nur die Männerkleider, während die Frau ein Kleid trägt' 1919 Unselfgn. ‚Hofen' (Volksethymologie!) 1895 Birndorf. - d) ‚Bett- und Leiwäsche insgesamt' Wolfach, St. Georgen (Freib.). - Beachte noch Agathle-, Bad-, Bett-, Fastnacht-, Vierfest-, Ge-, Gotten-, Heb-, Hochzeit-, Knöpf-, Kommunion-, Narren-, Schaff-, Sonntag-, Stadt-, Unter-, Werktaghäß. - Fischer 3, 1219ff.

Schwäbisches Wörterbuch III, 1219:
Häss hęs; hais Spald. Balgh. TuRieth. Wurml. Tuttl. Neuh. Schura Tross, Ggr. Karte 7 (alt auch ‚Haas', s. u.); Pl. (wenn je gebraucht) entw. gleich (s. a. u.) oder Hässer (vgl. Aug. 222) n. (alt auch m.): die gesamte Kleidung einer Person, gleichviel ob Mann, Weib oder Kind. In der alten Litt., bes. rechtlich, allgem.; "stet so in dem Zimm. Stat.-Buch von 1523; in dem von 1582, das die betr. Verordnung sonst wörtlich wiederholt, ist dafür ‚Khlaid' eingesetzt; es muss also damals schon als ein gemeines, nicht mehr in amtliche Schriftstücke passendes Wort betrachtet worden sein" Al. 15, 88; in der Tat findet es sich nachher kaum mehr gebraucht. ‚Dass er . . . uns Kost und Häss geb nách Nótdúrfft' Gemminger 1426/Gq. 5, 547. ‚Umb Häss oder umb ander Ding, daz zů ir Lib hoeret'1370 Es. /Gq. 7, 59. ‚Das Mer hats alls versalzen, Bett und Hess was nass' FabPilg. 28. ‚Was si funden haben von Hess, Bet' BiSchemm. XVI/Bkr. 299. ‚Die Pfaffen süllent Platten han und Hass tragen, als in zugehört, und auch die Juden' SwSp.Ldr. G. 210 Anm. ‚So si [Mönche] gand als die Laigen, Tanzen und och raigen In weltlichem Has, In Lüdri und och Gefras' Tnetz 4930. ‚Hett si [Nonne] aber ir Inbrisen gelaussen Mit ir engen Hæssen [lies ‚Hassen']. . . Sie wær noch künsch und rain' 5110. ‚Iegliche [Edelfrau] wil ze fordorst stan, Es sig ze Kilchen oder zuo Strass, In irem schamberlichem Hass' 12093. ‚Nam den Hürtenknaben bey dem Hess, zoch in hin und wüder' Whi. XVI/Bkr. 212. ‚Man würd uns [Nonnen] . . . dass Hess ob dem Haupt zuesament binden', offenbar incl. Hemd BiHeggb. XVI/eb. 283. ‚Alda man sahe das Frawenzimmer Mit lauter guldin Hässen schimmern' Woll. 1585/Chf. 108, 995. ‚In königlichem Häss' [: ‚Trucksäss'] JFrischl. 1616/Chf. 84, 37. - Erbrechtlich. ‚So gehört . . . des Vaters Harnesch und Hess', ‚So solt der Frauen voruss werden solich Hess, Claider und Claynat, die zu irem Lybe gehoret hetten' Ho. XVI/Pf.Urk. 256. ‚Doch mag sy [Wittwe] vor abnemen ir Morgengab, Kleider, Kleinotter und Häss. . . . Dagegen gehort den Kindern . . . irs Vatters Häss, Harnesch und was zu der Wer gehorig ist' 265. "Dass . . . seines Bruders Kinder seinen . . . ‚Harnasche und Hässe' erben" Es. 1372/Gq. 7, 117. - Häss als Fall 3, s. a. Hässfall. "Die zur Burg Staufen gehörige Leibeigene . . . verliessen . . . dem Schultheissen ihr bestes Häss oder Gürtelgewand' Sattl.Gr. 4, 121; vgl. Oab.Goe. 230. Nach dem Tod einer Frau wird gegeben ‚das Häss und Gewandt, alss sie zu Kilchenn und zu Strauss gienge' Lind. 1359/Wolfart 1, 1, 116. - Häss und Schuhe. ‚Häss und Schuch darumb zu koufen' Tü.1456/TüBl. 11,42. ‚Sich mit Schuch und Häss . . . versehen' Mem. 1529/Dobel 3, 29. ‚Mit leinen Hessen und Schuchen nottdurftiger Weiss fürsehen' Aul. 1541. ‚Grosser Mangel . ... an Schuh und Hees' NUlmElch. XVII/Zfd. 3, 199. ‚Hiess in Schuch und Häss umb sich gurten' "Bebenhaus. Passional 76"/Aug. 222. - Neben andern Wörtern für Kleidung mag ‚Häss' entweder das Ganze gegenüber den Teilen oder das nach aussen sichtbare Obergewandt bez.; eine speciellere Bed. erhellt nirgends, öfters auch wohl nur phraseol. Nebeneinander. ‚Da buckt sich der ein nider und würft das Häss oder Kleidt hinter sich über den Kopf' SFrank. ‚Sol ir darus [einer aus der Sammlung ausgewiesenen Schwester] nútzit ervolgen, denne ir Hässe und ir Stucha' Rw. 1383/Gq. 3, 198. ‚Waz ob sie Barchants oder anders Gewandes zů Schoppen oder Hässen verschnident' Es. 1401/Gq. 7, 409. ‚Dhain Gwand noch Hess . . . versetzen' Ulm 1353/Gq. 8, 244. ‚Das . . . niemand . . . weder Semitins noch Sidins nicht tragen so zů dehainem Hässe überale' eb. 1411/eb. 233. ‚Daz nu fürbas dehain FrowenNam . . . dehainen Mantel noch Rok nach dehainen Hässe hie haben . . . süllen, der lenger si denne der zů dem lengsten 1/2 Viertal ainer Eln uff der Erde lige' eb. 1420/eb. 218. ‚Von ainem schlechten anligenden knoepfloten Häss gefuetert unz an die Guertel 14 Pfund, gefuetert durchuss 18 Pfund' Ueb. XV/Geier 104; daneben Hose, Juppe, Mantel, Wams, Kappe, Rock, alles für Männer. Der Bettelvogt soll ‚den armen Lütten kain Claider noch Häss mit inen in die Camer hininlassen, besonder solen si es heraussen abziehen' eb. XVI/eb. 227. ‚Dass sich das Tochterlin von ihme wunde uss dem Häss und im Unterhemtlin entluffe' Lk/B. 1, 1175. ‚Wifling und linen Häss' "Kissl. Rodel 34"/Aug. 222. ‚Wer weschet ob dem Brunnen und die Windel oder Häss uff die Kiemer legt, Pön 6 Pfund' SpNuspl. 1528/Al. 14270. Pl. ‚die Häss' Chf. 278a, 638. S. a. Bauern-, Laien-, Klag-, Weiber-Häss; ‚in PfafenHesen' Bi. XVI/Al. 17, 104; Nachtr. zu Bd. 1, 1001. - Mod. allgem. südl. von (incl.) Enz MrbPleid. Wz. EwJagstz., bis in die Schweiz, aber els. unbezeugt, nach O. bis OA. Ner. Aug. Kfb. Tri.; ö davon Gewand I, ebenso, wie es scheint, im NW. n. der Enz; s.a. Gehäss. Vgl. Journ. 1789, 8, 168. Fulda 152. Klein 1, 194, Schm. 263. Heimg. 1886, 31. Oab.Bal. 145, Tu. 158, Ulm 1, 450. Bm. 1, 37. Aug. 222. Aurb. 1, 304. O.P. 1784, 2, 150. Reis. 2, 708. - Häss bedeutet mod. den gesammten Anzug; specieller: Fest-, Feiertag-, Sonntag-, Werktag-Häss, dafür auch das Häss gen F., S., W.; Schlechtzeiten-Häss für Mittelfeste; Doten-, Heb-, Konfirmier-Häss; lang Häss Weibsbild WsMühlh.; Betthäss Bettleinwand. S. diese Composs. Die Sprache der Gebildeten verwendet Häss höchstens scherzh. oder verächtl.; daher: Sie trägt Kleider von einer sich städtisch kleidenden, opp. Häss bäurisch Bal. Ich habe kein Häss., z. B. um an einer Festlichkeit teilnehmen zu können. Er, sie hat ein schönes, sauberes, neues, dreckiges Häss., viel Häss. Usw. "Kleider, auch leinen Zeug" TuBaar 1787. Da es bei der Nennung der Gewandung in concreto zumeist auf das nach aussen sichtbare ankommt, so kann in manchen Wendungen und Fällen Häss nur das Obergewand, etwa bloss den Männerrock zu bezeichnen scheinen: totum pro parte. So etwa: das Häss anlegen, anschläufen, anziehen; herabtun. Gib mir mein Häss, dass ich mich einschläufen kann kann nur jemand sagen, der die Unterkleider schon an hat. ‚Du holst mir en Zwerchsack und mein Häss, ih gang noo glei' Neffl. 148. Aber auch bloss im Häss TüPfrond. - Bes. Wendungen. Häss geben Sohn oder Tochter aussteuern Ndl./Aug. 222. Das Häss macht (die) Leute "Kleider machen Leute", verbr. Man kann nirgends mehr ersparen als am Häss und am G'fräss HerPolter./So spr. 804. Für's Häss und für's Gefräss dienen ohne Lohn, gegen Kost und Kleidung Goe. Wenn ich net ässe Und bräuchte kein Häss Und könnte schön singen, Wegen `m Schaffen bräuchte ich mich net zu verdingen. OA.Bal. Häss und Wände Verdeckent viel Elend (Hinter Häss und Wänden Steckt v.E.) Reis. 2, 605. Wer alles an's Häss henkt, ist ein Tor eb. Ein Narr braucht ein narretes Häss SonthHind./eb. 619. Dem faulet das Häss am Leib SuBinsd. Er (Sie) het ein Häss an (Sein, ihr Häss ist verrissen), 7 Katzen täten keine Maus drin fangen (finden) verbr. Wer sein Häss kann selber flicken, Braucht's net erst zum Schneider zu schicken UlmLang. Ein Magerer, Abgemagerter fällt (ganz, recht) aus'm Häss, steckt (hangt) nur so im Häss verbr., vgl. Ukbl. 1, 45. Einunordentlich angezogener hanget im Häss wie ein Jauner (o.O.). Er ist net so dumm (wie er aussieht), er hat bloss das Häss dumm an verbr., s. Bd. 2, 452. Zweierlei Häss an haben Zuchthäusler sein SaHaid. So spr. 805; vgl. Tuch 1. - Mhd. hâz m. (s.a.o.), hæze n., Lex. 1, 1197; Nachtr. 230; ahd. nicht; ags. hœteru Kleider. Unser Gebiet ist das Hauptgebiet des Wortes; von den Composs. ist nur 1/6 auch auswärts, 1/13 im jetzigen Dialekt auswärtig bezeugt. - Sch.O. 665. B. 1, 1175. Schöpf 247. Swz. 2, 1678. Els. 1, 380 . Schmidt Els. 170 .
Schwäb. Wb. VI, 2116:
Nachtrag zu Häss: Häss scheint an Gebiet einzubüssen; mancherorts (so LnElt.) ist es nur noch bei ganz alten Leuten üblich. LnFlacht kennt es, ungebräuchlich LuGeis. - Da fall' ich aus'm Häss! Ausruf der Verwunderung. Überraschung LnFlacht TüDussl. Zu Kindern, die fragen, was sie tun sollen: 's Häss 'rab tun und drauf s'rum warglen! Aug. Zweierlei Häss anhaben Insasse der Verbesserungsanstalt Ln sein LnUmg.

Schweizerisches Idiotikon/Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache II, 1678:
Hääs(s) Ap; Gl; Gr; G; S; Th; Uw, Hēs GO., Sa., Gehääs(s) AaBb., Z., Gl; GRh.; Sch; Th; nZ, G'hēs ZElgg - n., Dim. Hässi GrSch.: 1. coll., allerlei Kleidung- und Bettstücke, Tischzeug; Wäsche, bes. auch Weisszeug ("weisses H.") AaBb., Z.; Ap; Gr; vgl. das Syn. Plunder. Spec. und vorwiegend: gesammter Anzug, Kleidung Aa; Ap; Gl; Gr; G; Sch; Th; Uw; Z. An manchen Orten nur noch in Zss. erhalten, so z. B. H.-Lus. Schueh ond H., die ganze Kleidung Ap (formelhaft); Syn. en Anleggete H. En anders H. anleggen, sich umkleiden Ap. Hunderen hätten wer g'nuog, aber keis Hässi GrSch. E wüests, wäächs [schönes] H. anhan. Guet im H. sīn, ordentlich gekleidet GrD. Us dem H. fallen, g'hīen, abmagern Ap Gr;; G. 's H. hanged ga noch an-em wie am-enen Zunstecken Ap. Jmd. den letzte Fetzen H. ab-em Līb gėn Gr. Du hest ja nu zwei anleggendi Häässleni [die du noch anziehen, tragen kannst] GrPr. (Schwzd.). Alli Jōr e H., isch nit viel H. (var. Chäs); aber alli Jōr e Ching [Kind], isch glī vil Ching S (Schild; vgl. 1866, 84). ‚Möcht der bannwart einem ichzit abgebrechen, es wäre sein häss oder ander ding, den er nachts [frevelnd im Weinberg] begreiget, das ist des bannwarts.' 1444, AaLauf.Stadtr. ‚Unkosten mit dem sattel und dem kess.' 1528, HsStock. [von den Zurüstungen auf einer Reise]. ‚[Eine nackte Wiedertäuferin bittet] wann [man] well ir höss anlichen.' Kessl. ‚Der nachrichter soll [der Deliquentin] das hess ufheben und sy mit rueten schwingen.' 1540, Sch Ratsprot. ‚[Der Gefangene] war nackend, weil das Häss an jm verfault ist.' 1653, GrArch. ‚Hes, Gehäs, Gewand, Kleider.' Red. 1662. S. noch Häss-Fall. Mit Einschränkung: Frauenkleidung ThMamm.; dagegen: Männerkleidung GRh. Werktags-Kleid, im Gegs. zum Gerust, dem Sonntagsanzug ThTäg. - 2. einzelnes Kleidungsstück Ap; G; Uw. Bes.: Rock und zwar sowohl Frauen- wie kurzer Männerrock GrChur, D., Pr. Oberkleid: ‚Es soll ein ieklich mann und knab ieklich hess, das er obenan tragen will, als lang machen, dass es jm unz an die knü abschlach.' 1371, Lauff. Beitr. So auch GBurgau, Gebh. Offn. (s. ‚Häss' bei Gr. WB.).

Vorarlb. Wb. I, 1329:
Häss hēs(s) (Hptgb), -ē- (Mont.); ohne Pl., nur vereinz. -ər n.: Gesamtheit der Bekleidung zum Unterschied von einzelnen Stücken (allg.); auch Bettwäsche; s. Betthäss. - Sie hat kein H., zB. für bestimmte Anlässe; sie henkt alles an 's H., gibt alles für Kleidung aus; aus dem H. fallen, abmagern, zB. durch Krankheit; ein Abgemagerter hanget im H.; er ist guet im H., gut gekleidet (allg.). 's H. an der Wand verdeckt viel Elend (Dornb.). - Mhd. hæze n., Rock, Kleidung; mhd. hâz m. ist nicht vorhanden. - Fi. 3, 1219; 6, 2116; Id. 2, 1678. - >Häss~aufhenker< m.: Kleiderhaken (allg.). - >~bürste< f.: Kleiderbürste (allg.). - Fi. 3, 1222.
Andreas Schmeller, Bayerisches Wörterbuch, 2. Aufl. I, 1176:
Das Hæß (Hés, Hèəs, Hess), das Gehæß (Ghèəs), das Hæßlein (Héslé), (schwäb., Schwangau) die Kleidung; (mhd. der hâz, das hæze, hæz; BM. I, 642f. Grimm III, 451. Zeitschr. IV, 329,19. VI, 119,31. 257. Cf. isl. háttr, mos costume; hatte, capitium muliebre; Kilian. Diefenbach 97b). Sunntag-, Werktag-, Hés. "Mei~ Vierfesthääs", Weitzmann III, 108. 112. Bétthés, Bettüberzug. Tod- und Heßfälle kommen im Ldgr. Schongau als Gerichtseinnahmen vor; Hazzi, Statist. II, 121. "Das Best-Häß;" Mimschweiler Weisthum. "Wenn jemand stirbt, soll dessen beste Hees der Grundherrschaft anheim fallen"; Björnståhl's Briefe über seine Reisen v. 1774, deutsche Uebersetz. v. 1782, Bnd. V, S. 197. "Die Nonne (sich einbreisend) wurt enmitten so clain und stet ir das häß so rain und als ir gewand man umbvieng sie mit der hand . . . hette sie ir einbreisen gelaßen mit ir engen häßen, sie wär noch kewsch und rein"; des Teufels Segi, vrgl. Barack 162, 5097 ff. Anm. u. 5111. "So si (die Geistlichen) gand als die laien und tanzend raien in weltlichem häß und ludran und gefräß"; das., Barack 157, 4932 (liest "has"). "Jegliche wil ze fordrost stan, es sig ze kilchen oder zuo straß, in rem schamberlichem haß"; das., Barack 384, 12095. "Lauß nit onderwegen, du kerest das hinder herfur an dem häß, das rat ich dir"; Cgm. 270, f. 174a. "Nim hin guet heß an deinen leib"; Cgm. 249, f. 144b. "Das wib das sprach zu irem man mir ist so we das sag ich dir stand uf bald und hilfe mir und teck mir über als min häs ob ich möchte komen zu ainem schwais"; Jörg Zobel (1455), Cgm. 568, f. 258. "Der Gäste Häß und Rat", Scheirer Dienstorb. v. 1500, f. 13. "Er (der Pfarrer zu Leutkirch) hab ein Töchterlin genöth und mißhandelt daß sich das tochterlin von ihme wunde uß dem häß und im Unterhemtlin entluffe"; Schelhorniana 21, f. 15. "Aberûmen der alten sunden heze," Diutiska II, 135, (im Reim auf freze, reze, ungemeze). Vergl. angelsächs: Mid his hätron, cum vestitu suo, Se hund totaer his haeteru, canis dilaceravit vestitum ejus. anhæßen, aushæßen (a~-, àushèəsə~), an-, auskleiden. Horneck cap. 700 hat enkesen für sich entkleiden. "Biz er sich engeste", Diut. I, 351; (gehört zu "Gast"; s. BM. I, 487). Ebenda II, 245 heißt es von Johannes in der Wüste: "Er macht im selber einen haz (Reim auf az und frâz) von kembeltieren hüten." Hier wäre das Wort ein Mascul. Vrgl. auch "Leinhösler." Wäre das spanische hato etwa ein gothischer Rest? (s. dagegen Diezm, Wbch. I, 500).

Freiburg 2002
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