Dr. Rudolf Post
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Universität Freiburg i. Br.
79085 Freiburg
Dambedei
Im mittelbadisch-pfälzisch-südhessischen Gebiet wird zu bestimmten Anlässen, meist zur Advents-, Weihnachtszeit oder zu Neujahr ein Gebäck hergestellt, das wegen seines eigenwilligen Namens Dambedei (oft auch Dampedei geschrieben) oft zu Nachfragen anregt. Woher kommt das Wort? Was hat es zu bedeuten?
In diesem Artikel soll diesen Fragen etwas nachgegangen werden, wobei zunächst ein Überblick über den heute wahrscheinlichsten Stand der Erforschung aus meiner Sicht gegeben wird. Doch damit der Interessierte evtl. weiter nachforschen und ggf. andere Deutungen finden kann, sind unten die Belege aus den einschlägigen Wörterbüchern und weiterführende Literaturangaben angehängt.
Die sich auf den mittelbadisch-kurpfälzischen Raum konzentrierende Bezeichnung Dampedei, gesprochen Dambedei bezieht sich sachlich auf ein Weißmehlgebäck in Menschen- aber auch Halbmondform. Ausführlicheres schildert Stemmermann (Lit. s. unten) für die Gegend um Ettlingen: "Die charakteristischsten Gebildbrote unserer Gegend sind die Dambedeien. Heute erscheinen sie spätestens am 6. Dezember in den Bäckerläden. Früher wurden sie in den Familien hergestellt, wie es noch heute teilweise geschieht. In zahlreichen Orten sind die Dambedeien fest mit dem Nikolaustag verbunden (z. B. Pfaffenrot, Ettlingenweier, Burbach, Etzenrot, Grünwettersbach, Oberweier, Mörsch, Sulzbach); in Hohenwettersbach und Reichenbach erscheinen sie zu Weihnachten noch einmal. In Völkersbach und Schielberg gehören sie nur zu Weihnachten, in Schöllbronn zu Weihnachten und Neujahr, während sie in Langenalb nur als Neujahrsbackwerk üblich sind. Die Dambedeien werden heute fast überall als Teigmännle gebacken, doch ergibt eine Nachprüfung sehr schnell, daß es auch weibliche Dambedeien gab. Der Name »Dambedei« ist zweifellos alt. Unsere Umfrage von 1967 hat ergeben, daß die Bezeichnung »Dambedei« allerorten bekannt ist und als sehr alt gilt, so alt mindestens, als sich die ältesten Leute zurückerinnern können" (Stemmermann, S. 130, mit Abbildungen).
Als Namenserklärung wird besonders in Karlruhe angeführt, das Wort sei aus frz. d’hommes petits herzuleiten und im 19. Jhd. von einem Bäcker aus Straßburg übernommen worden. Diese Deutung ist zwar recht reizvoll, doch bei genauerem Hinsehen nicht haltbar. Eine andere Erklärung lautet so: Im Advent gebackenen Broten habe man die Form eines Christkinds gegeben, diese Brote seien von den Priestern mit den Worten: in nomine domini dei (im Namen Gottes des Herrn) oder ad honorem domini dei (zu Ehren Gottes des Herrn) gesegnet worden. Die Latein-unkundigen Gläubigen hätten die Segnungsworte domini dei zuerst zu domnidei (gesprochen: domnide - i), dann zu damnidei (hier wurde das Ende vielleicht schon wie Ei gesprochen) verballhornt, daraus sei schließlich das jetzige Dambedei entstanden [zit. aus dem Internet, 23. 1. 2004: http://www.wer-weiss-was.de/theme143/article458424.html (der Autor Fritz Ruppricht beruft sich auf Artikel aus den Badischen Neuen Nachrichten von 1968, 1976 und 1989)]. Diese auch schon von Franz Josef Mone, Othmar Meisinger, Otto Heilig [s. Bad. Wb. I, 413] ähnlich formulierte Herleitung hält ebenfalls einer genauen Prüfung nicht stand. Andere führen sogar einen heidnisch-rätischen Schutzgeist Tampeda/Tambeda ins Feld [zit. aus dem Internet, 23. 1. 2004: http://www.uni-ulm.de/LiLL/prov2/europa/solill/esskultur/ulm/lieblingsbrot/dambedei.htm], was aber sehr hergeholt erscheint und kaum ernsthaft zu belegen sein dürfte. Ebenso abwegig erscheinen Herleitungen von Timpeteh (aus dem Märchen vom Fischer und seiner Frau) oder von einem litauischen Götternamen Djempatis 'Erdherr' [Nachweise bei Christmann 1933, 36].
Genau besehen, ist unser Wort Dambedei (es ist als der und die Dambedei bezeugt, wobei die feminine Form wohl die ursprünglichere ist) als eine Zusammensetzung aus Dambe- und Dei(e) aufzufassen. Das Wort Dei(e) kommt nämlich im Geltungsbereich von Dambedei und darüber hinaus auch als Simplex Dei(e) und dann in anderen Zusammensetzungen wie Christ-, Wander-, Weihnachtsdei vor. Eine Entlehnung aus dem Französischen des 19. Jahrhunderts scheidet schon deswegen aus, weil das Wort schon im 16. Jahrhundert archivalisch belegt ist. Nach einer Rechnung des St. Georgen-Hospitals in Speyer reichte man deyhen uff dem jahrtag 1539 den armen sichen noch alter gewonheyt . . . [zit. nach Pfälz. Wb., s. u.]. In Hirschhorn im Jahr 1560 müssen probst etc. . . . jehrlich uff sanct Stephans des h. ertzmertelers tag zwo theyen und zwo schultern von gemesten schweynen . . . schicken zum Hirschhorn uff das schlosz und soll die theyen gebacken seyn von einem halben malter ongemulterter kern [zit. nach Südhess. Wb., s. u.]. In Kaiserslautern erhielt 1626 ein Bäcker eine Geldstrafe, weil er dem Verbott Zu wieder Wecken Deygen, Vndt dieselbigen Zu Klein gebacken hatte [zit. nach Pfälz. Wb., s. u.]. Als Grundwort ist die Dei(e) als Bezeichnung für verschiedene Kuchen bzw. Weißbrote auch noch aus Mundarten der Pfalz, aus Baden und aus Schwaben mehrfach gemeldet [s. die Wörterbuchbelege weiter unten].
Neben dem Grundwort Deie kommen in historischen Texten aber auch verschiedene Zusammensetzungen vor. Der meines Wissens früheste Beleg stammt vom Jahr 1529 wiederum aus einer Rechnung des St. Georgen-Hospitals in Speyer und zwar für die Zusammensetzung "Christdeie": Item 5 sch. pf. vor Crist dyhen, zu dem nuwen jarstag nach alter gewonheit [zit nach Pfälz. Wb. , s. u.]. Auch "Weihnachtsdeie" ist archivalisch in einem Dirmsteiner (bei Frankenthal) Lagerbuch 1557 belegt: Davon geburt Churfürstlicher Pfalz ... 4 weihenecht deihen [zit. nach Pfälz. Wb., s. u.]. Wie die unten angeführten Belege aus den Wörterbüchern zeigen, finden sich Christdeie, Weihnachtsdeie, Grundbiredei auch noch in Mundarten des 20. Jahrhunderts vor. Nach einer Meldung von Herrn Friedrich Bubeck aus Pforzheim (er stammt aber aus dem Raum Cannstatt/Esslingen) an den Autor im Jahr 2012, gab es in Echterdingen auf den Fildern im Sommer einen Salz-Dei, das ist ein Hefekuchen mit Salz (.. und Kümmel) bestreut.
Leider ist der/die Dambedei nicht unter den frühen historischen Belegen. Erste Belege finden sich erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts. Franz Josef Mone (1796-1871) hat vor 1870 ein "Bruhrainisches Idioticon" handschriftlich verfasst, in dem er Mundartausdrücke aus seinem Heimatort Mingolsheim und dem Bruhrain dokumentiert. Dieses Bruhrainische Idioticon wurde 1905 von Otto Heilig in Neues Archiv für die Geschichte der Stadt Heidelberg und der rheinischen Pfalz, 6 (1905) S. 121 ff. publiziert. Mone schreibt darin: Dambedai m.: kleines Gebäck von Weißmehl, das man auf Weihnachten zum Kaffe backt. Ein weiterer früher Beleg stammt von Ludwig Eichrodt (1827-1892). In seinem Werk "Rheinschwäbisch" [Mundart der Karlsruher Gegend, 1. Aufl. 1868], liest man: Der Lausbu bin e, frank un frei, / Seh aus grad wie en Dambedei [zit. nach der 2. Aufl. Karlsruhe 1873, S. 42].
Wie oben, anhand der historischen, wie auch dialektalen Belege deutlich wurde, ist Dambedei zum Grundwort Dei(e) zu stellen, was offensichtlich eine bestimmte Gebäckart bezeichnete, die zu bestimmten Anlässen gebacken wurde. Die Herkunft dieses Deie ist, wie Ernst Christmann es schon 1933 überzeugend dargestellt hat [s. Literatur unten], zu mhd. dîhen ‚gedeihen, geraten, zunehmen‘ zu stellen, es bedeutete damit so etwas wie ‚Gedeihbrot‘, weil es vielleicht den Wunsch des Gedeihens, Wachsens für Weihnachten, Neujahr ausdrücken sollte. Wenn diese Herleitung stimmt, müsste man das Wort heute etymologisch richtiger als Deih(e), Dambedeih schreiben, einige historische Belege zeigen ebenfalls diese h-Schreibung [s. o.].
Nun bleibt als letztes Problem, die Herkunft des Bestimmungswortes Dambe- zu klären. Mit Ernst Ochs [Bad. Wb. I, 413] und Ernst Christmann [1942, 39/49] neige ich dazu, das Wort zu badisch Dampe, Dampel, Dampelhans ‚ungeschickter, plumper Mensch, Hampelmann‘ usw. zu stellen. Dies deshalb, weil das Gebäck in (plumper) Männchen-, Puppenform gebacken wurde. Auch das männliche Geschlecht des Wortes kann so erklärt werden, während die historischen und viele mundartliche Belege auch weibliches, seltener sächliches Geschlecht aufweisen.
Freiburg, 28. Jan. 2004 / letzte Aktualisierung: 7. Dez. 2012
1)
Belege aus Wörterbüchern
(nicht alles, was
im Folgenden dokumentiert ist, entspricht dem heutigen Stand, manches
davon ist schlicht falsch)
Bad.
Wb. I, 412/13: Dampel-hans m.: ungeschickter, tappiger Mensch, häufige Schelte Tiefenbronn, Hamberg, Würm, Pforzhm; dambelhanəs Heidelbg. In Bauschlott einfach dambl m. ‚alberne Person‘. Vgl. Erzdampelhans, Hansdampel (: Hansdampf), Damelhans, Dampen, Tappel. - Fischer 2, 45f. dampelhansig Eigsch.: einfältig, dumm Höhn Mei Pforze2 36. Dampe(n) m. Mehrz.: die Täppischen, Übername der Leute von Kürnbach BlBadVk. 175. Das Wort hält die Mitte zwischen der Gruppe Tapp und der Gruppe Dampelhans. Vgl. Dampelhans. - Fischer 2, 45. Seiler Bas. 71. Stalder 1, 262. |
Bad.
Wb. I, 451: |
Bad.
Wb. III, 288: |
Handwb.
des dt. Aberglaubens III, 395f.: |
Pfälz.
Wb. II, 63/11: |
Pfälz.
Wb. II, 197/5: |
Pfälz.
Wb. IV, 613/14: |
Pfälz.
Wb. VI, 1178: |
Schwäb.
Wb. II, 129: |
Schwäb.
Wb. VI, 1732: |
Südhess.
Wb. I, 1455/60: |
Südhess.
Wb. VI,
242: |
2) weiterführende Literatur: |
Bächtold-Stäubli: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 3, 395ff. - [Enthält innerhalb des Artikels "Gebildbrot" einen Exkurs zu Dampedei (s. o.)] Bertram, Otto: Christdeihen und ähnliche Gebildebrote in der Vorderpfalz. In: Trifels vom 26.11.1933, Nr. 17 (auch in Heimat und Volkstum, München 1934, S. 9-15). - [Eineinhalbseitiger Aufsatz über Gebildbrote und ihre mundartlichen Bezeichnungen in der Vorderpfalz.] Bertram, Otto: Pfälzische Gebildbrote. In: Westmärkische Abhandlungen zur Landes- und Volksforschung 5. 1941/42, S. 253-296. <mit 6 Karten und mehreren Abb.>. - [Diese vorwiegend volkskundlich ausgerichtete profunde Untersuchung bietet u. a. Verbreitung und mundartliche Benennungen pfälzischer Gebildbrote, wie sie z. B. zu Weihnachten, Neujahr, Ostern usw. gebacken wurden.] Christmann, Ernst: Vom Gebildbrot "Deihe". In: Heimat und Volkstum 11. 1933, S. 262-268. - [Beitrag zur Sachkunde, Verbreitung und Herkunft von Deihe "Gebildbrot".] Christmann, Ernst:
Von den Gebildbroten 'Deihe' und 'Dampedei'. In: Oberdeutsche
Zeitschrift für Volkskunde
16. 1942, S. 35-40. Stemmermann,
P. H.: Die Dampedei. In: ders. Volksleben von einst in
Ettlingen und Umgebung. Karlsruhe Ettlingen 1977, S. 130-133. Valentin, Hans E.:
Brezen, Kletzen, Dampedei. Brot im süddeutschen und österreichischen
Brauchtum. Regensburg 1978. Waibel,
Paul: Der rätselhafte Dambedei. In: So weit der Turmberg
grüßt 10. 1958, Heft 12. Wolber,
Karl: Das Christei oder das
Deihen: ein pfälzisches Gebildbrot. In: Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde
16. 1942, S. 187-188. |
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