Dr. Rudolf Post
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Universität Freiburg i. Br.
79085 Freiburg


Badener-Badenser

Zum Streit um die korrekte Benennung der Einwohner Badens


1. Das Problem

Lässt man die Bezeichnungen aus schriftlichen und mündlichen Quellen für die Bewohner Badens Revue passieren, so findet man eine stattliche Anzahl von Varianten. Neben der heute dominierenden Bezeichnung Badener finden sich: Badner, Bademer, Badische, Badnische, Badenische, Bademische und Badénser. Um die letztgenannte Bezeichnung bricht immer wieder Streit aus, obwohl sie seit Jahrhunderten eingeführt ist und auch in Wörterbüchern der deutschen Gegenwartssprache als gleichberechtigt neben Badener genannt wird. Seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehren sich die Stimmen aus badischem Munde, die in der Zuschreibung Badenser einen Affront, wenn nicht gar eine Beleidigung sehen wollen. Manche Äußerungen von dieser Seite sind dabei so schroff und verbiestert, dass man nicht glauben sollte, dass sie aus Baden stammen, einem Landstrich der sonst wegen seiner Gelassenheit und Toleranz gerühmt wird. In Baden, so sagt man, gelte der Spruch "Leben und Lebenlassen". Die Gegener führen als Argument gegen das in ihren Augen falsche Badenser immer wieder an, es gebe ja auch keine Frankfurtser oder Heilbronnser. So soll der nordbadische CDU-Abgeordnete Franz Gurk 1954 einen besonders dreisten Redner im Landtag gewarnt haben, er werde ihn demnächst als Heilbronnser bezeichnen (aus dem Internet - dort ohne überprüfbare Quellenagabe). Immerhin ist diese Entgegnung schlagfertig. Dennoch kann diese lustige Analogiebildung sprachlich nicht als überzeugend gelten. Denn ebensogut könnte jemand die Bezeichnung Badener ad absurdum führen, weil es ja auch keine Hessener, Thüringener, Sachsener, Bayerner oder Schwabener gebe. Wollte sich Baden mit Sachsen oder Schwaben in dieser Hinsicht vergleichen, so müsste ein Einwohner Badens ein Bade, eine Einwohnerin eine Bädin und die Einwohner die Baden genannt werden.

Es lohnt sich also, in dieser Frage genauer hinzuschauen, denn im Deutschen sind Einwohner- oder Herkunftsbezeichnungen, die von geographischen Begriffen abgeleitet wurden, ziemlich komplex, denn es spielen die lautliche Umgebung (Wortausgang), die Flexion, die Wortgeschichte aber auch zufällige historische Entwicklungen eine Rolle.


2. Die sprachliche Herkunft von Baden und mögliche Ableitungen

Wie eben dargestellt, kann die Einwohnerbezeichnung im Falle Baden nicht nach dem Muster von Hessen, Sachsen, Bayern, Schwaben usw. erfolgen. Bei letzteren ist der Ländername aus Stammesnamen entstanden, also die Bevölkerung hat den Namen auf die von ihnen bewohnten Gebiete übertragen. Bei Baden ist es anders. Hier steht am Anfang ein Örtlichkeitsname (wie auch bei der Landschaft Baden im Aargau in der Schweiz), nämlich ein alter Dativ Plural von Bad, etwa ze den Baden ‚zu/bei den Bädern‘. Benannt wurde damit ein Ort mit Heilquellen an der Oos, der schon in der Antike ab Aquis, civitas Aquensis genannt wurde, alles Bezeichnungen, welche auf die Heilquellen und den antiken Badebetrieb abheben. Oberhalb dieser Bäder entstand eine Burg, die namengebend für ein Adelsgeschlecht wurde, aus dem die Markgrafschaft und das spätere Großherzogtum Baden hervorging. Der urspüngliche Ortsname Baden musste später, um Verwechslungen zu vermeiden, Baden-Baden (früher Markgrafen-Baden) genannt werden, was soviel heißt wie Baden in der Markgrafschaft Baden. Die Bezeichnung Baden ist also kein alter Stammesname sondern ein Name, der aus einem flektierten Appellativ hervorgegangen ist. Für Ableitungen aus solchen Namen, die auf -en auslauten, gibt es im Deutschen mehrere Möglichkeiten.

1) Anhängen von -er direkt an den Wortstamm, z. B.: Zweibrücken (entstanden aus: zu den zwei(en) Brücken ‚Ort wo zwei Brücken über den Schwarzbach führen‘) > Zweibrücker. Diese Bildungsweise ist bei allen auf flektierte Formen zurückgehenden geographischen Namen die Regel, wie bei Namen auf -ingen, -kirchen, -hausen-, -bergen, -hagen usw. und wäre theoretisch auch bei Baden möglich, doch die so gewonnene Ableitung Bader würde mit dem Wort Bader ‚Badknecht, Barbier‘ kollidieren und ist daher auch nie als Einwohnerbezeichnung für unser Land verwendet worden.

2) Anhängen von -ner direkt an den Wortstamm, z. B.: München (entstanden aus: bei den München (Mönchen)) > Münchner. Dies ergäbe in unserem Fall Badner, eine Form die heute weniger als früher bezeugt ist, jedoch z. B. im Badner Lied die Normalform ist (Badner Land, ein Badner möcht ich sein). Bei dieser Bildungsweise ist es jedoch wahrscheinlich, wie andere Beispiele vom Typ Dresdner, Basler, Zürcher plausibel machen, sie generell als Verkürzung von Badener zu Badner zu erklären. Somit gehörte dieser Fall zum nächsten:

3) Anhängen von -er an das gesamte Wort, z. B.: Gießen > Gießener. Diese Ableitung führt zu der heute gebräuchlichsten Bildung Badener, die schon in der Badischen Verfassung von 1818 verwendet wird (Abschnitt II Rechte der Badener § 7-8); es ist aber anfangs keine im Volk geläufige Bildung (Bad. Wb. I 107).

4) Eine Sonderform zu 3) ist die im badischen Volksmund sehr häufige Form Bademer, die einerseits für die Bewohner von Baden-Baden, andererseits aber für die Bewohner von Baden generell gilt. Die Form geht ursprünglich auf Ableitungen von -heim-Namen zurück, z. B. Mannemer ‚Mannheimer‘, Ettemer 'Ettenheimer', wird aber auch bei anderen Namen produktiv: z. B.: Husemer ‚Hausener‘ (z. B.: J. P. Hebel: De Husemer Chnabe), Speyermer ‚aus Speyer‘, Stettemer ‚aus Stetten‘ usw. In der Badischen Wochenschrift 1806 Nr. 17 wird die Form Bademer als mundartlich verbreitete Form (in der Pfalz) angegeben. August Ganther, der Mundartdichter aus dem Renchtal, spricht in seinen "Stechpalmen" (1900, S. 63) von einem Bade-Bademer. Auch in der Landschaft Baden im Aargau ist diese Bildungsweise belegt, die dortigen Bewohner können als Baademer bezeichnet werden (Heinrich Meng: Mundartwörterbuch der Landschaft Baden im Aargau, Baden 1986, S. 139).

5) Ableitung mit -ische am Wortstamm; dies ist eine allgemeine Adjektivableitung die u. a. auch die Herkunft aus einem Land anzeigen kann, z. B. Preußische, Böhmische, Östereichische. In älteren Texten kann man z. B. lesen: wir sind Badische (Bad. Wochenschrift 1807, S. 109) oder eusi Badische ‚unsere Badischen (Soldaten)‘ (1832, nach Bad. Wb. I, 107); eine Unterdifferenzierung gab es nach der Erweiterung Badens am Anfang des 19. Jahrhunderts, als man von Alt- und Neubadischen sprach.

6) Die Ableitungen Badnische, Badenische, Bademische können als Ableitungen mit -isch am gesamten Wort betrachtet werden. Sie tauchen gelegentlich in früheren Texten auf, sind aber heute kaum noch gebräuchlich. Immerhin ist die Ableitung bademisch schon 1618 bei dem schwäbischen Barockdichter Weckherlin bezeugt, der von bademischen Nymfen spricht (nach Zeitschr. für dt. Wortforschung 1. 1901, S. 366, dieselbe Stelle Weckherlins im Grimmschen Wörterbuch Band I, 1073 heißt fälschlich badenisch). Goethe verwendet in seinen Briefen abwechselnd badensch, badnisch und badisch.


3. Die Bezeichnung Badenser - Herkunft und Belege

Waren die eben vorgestellten Bildungen allesamt mit deutschen Wortbildungsmitteln entstanden, so spielt bei dem Badenser die lateinische Gelehrten- und Studentensprache mit hinein. Vom 17. - 19. Jahrhundert begegnen uns in der deutschsprachigen Literatur zahlreiche Bildungen von Einwohnernamen, die auf der lat. Ableitung -(i)ensis beruhen, z. B.: Athenienser ‚Athener‘, Carthaginenser ‚Karthager‘, Kretenser ‚Kreter‘ usw. aber auch für deutsche Städte wie Hallenser (aus Halle), Jenenser (aus Jena), Fuldenser (aus Fulda), Hamburgenser (aus Hamburg), Bonnenser (aus Bonn). Genau in diese Schublade ist auch Badenser zu stecken, das auf urkundensprachlich-lateinisches badensis zurückzuführen ist (z. B. comes badensis, dux badensis u. ä., es handelt sich hier um haplologisch verkürzte Formen aus badeniensis). Noch heute begegnen solche Latinismen in der wissenschaftlichen botanischen oder zoologischen Nomenklatur, die etwa Pflanzen wie Poa badensis, Centaurea badensis oder den Regenwurm Lumbricus badensis kennt.

Die frühesten Belege tauchen gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf. Der erste mir zugängliche Beleg wurde mir im Jahr 2012 von Dr. Gerhard Müller, Rastatt, gemeldet. Er stammt von Johann Moriz Schwager, Versuch einer Geschichte der Hexenprozesse. Erster Band; Berlin 1784, S. 311: „... es entstand das heftigste Gewitter mit Sturm und Platzregen, dies währte einen ganzen Monath hindurch, und alle Badenser Bürger so wohl als Bauren glaubten nicht allein, daß der Teufel dies Gewitter gemacht, sondern hielten die Jesuiten auch für Mithelfer des Teufels ...“. Hier sind, wie man aus dem Zusammenhang der Stelle entnehmen kann, mit Badenser Bürger offensichtlich nur die Bewohner von Baden-Baden gemeint. 

Bekannt ist die Stelle in Goethes "Dichtung und Wahrheit" (entstanden zwischen 1811-1833, hier nach Hamburger Ausgabe, Band 10, S. 82), wo sich Goethe und seine Begleitung wegen des mangelnden Schutzes vor Nachdrucken in Deutschland und in Baden bei einem besuchenden Badenser beklagten. Diese Goethe-Stelle wird meist als frühester Beleg für Badenser genannt, liegt aber doch zeitlich hinter dem oben genannten Beleg von 1784. Goethes Beleg bezieht sich auf die Zeit um 1809, wenn auch die genannte Passage in "Dichtung und Wahrheit" erst nach dem Tode Goethes im Jahr 1833 erschien. Nach den Varianten der Lesarten hatte Goethe an dieser Stelle ursprünglich Badnischen geschrieben. Auch in einem Brief vom Jahre 1828 äußert er sich über die Herren Badenser. Noch etwas früher datiert ist ein Beitrag "Bader oder Badenser" in der Badischen Wochenschrift 1806, Nr. 16 (wieder abgedruckt in: Joh. Gottlieb Radlof: Teutschkundliche Forschungen 1. 1825, S. 257-259).

Theodor Fontane (1819-1898) berichtet in seinem Buch "Meine Kinderjahre" (niedergeschrieben 1893) aus der Napoleonszeit: "Sah man näher zu, so waren es meist Truppen aus den Rheinbundstaaten, Hessen, Nassauer, Westfalen. An den Odermündungen, speziell in Swinemünde, standen Badenser, die sich gut nahmen und mit denen man unter gegenseitigem Entgegenkommen auf vortrefflichem Fuße lebte".

Als weiterer Literaturklassiker, der einen Beleg zusteuert, kann Gottfried Keller gelten, der in seinen "Gesammelten Gedichten" (1883) im Gedicht "Gegenüber" folgende Strophe bringt:

"Da rauscht das grüne Wogenband
Des Rheines Wald und Au' entlang:
Jenseits mein lieb Badenserland,
Und hier schon Schweizerfelsenhang."

Auch der Klassiker des deutschen Sozialismus Friedrich Engels kennt Badenser. In "Die deutsche Reichsverfassungskampagne" schreibt er: "Ein rascher Marsch der Badenser nach Frankfurt und der Pfälzer nach Trier hätte wahrscheinlich die Wirkung gehabt, daß der Aufstand an der Mosel und in der Eifel, in Nassau und den beiden Hessen sofort losgebrochen wäre" (Marx/Engels Werke, Bd. 7, S. 131).

Und noch Karl May, schreibt in seinem Fortsetzungsroman "Die Liebe des Ulanen", der 1883-1885 erschien und in der Zeit des Krieges 1870/71 handelt: "Der Preuße hat sich mit dem Dänen, dem Österreicher, dem Bayer, Würtemberger und Badenser gemessen und hat gesiegt".

Diese vier Zeugnisse für die Verwendung von Badenser im 19. Jahrhundert, stammen jedoch von Autoren nichtbadischer Herkunft. Im Streit um die Verwendung von Badenser hört man ja auch immer das Argument, dass nur Außenstehende diesen Ausdruck gebrauchten, den aber ein Badener nie in den Mund nehmen würde. Stimmt das wirklich? - Es lassen sich Gegenbeispiele finden:

Im Freiburger Wochen- und Unterhaltungsblatt vom 15. Februar 1831, S. 52 findert sich ein Beitrag von einem A. M. mit der Überschrift: "Sind wir Badenser, Badener oder Baden?" und der Autor schreibt darin "Uebrigens nenne ich die Bewohner von Baden Badner, wenngleich viele von Badensern sprechen, was an Jenenser erinnert und undeutsch ist; selbst viele Badner nennen sich so".

Walter Fröhlich hat in einer Glosse im Singener Wochenblatt vom 9. Februar 2000, die sich ebenfalls mit unserer Frage auseinandersetzt, auf eine Publikation von 1848, die "Konstanzer Freiheit-Chronik" von Schieber hingewiesen, in der die Ereignisse des Hecker-Zuges beschrieben werden und in der stets von Badensern die Rede ist.

Ende des 19. Jahrhunderts gab es einen "Verein der Badenser in Berlin" (Zeitschr. für Deutsche Wortforschung, 3. 1901, S. 102).

Das Schwäbische Wörterbuch von Hermann Fischer schreibt in seinem 1. Band (erschienen 1904), Spalte 569: "Der Bewohner des Landes, der in Baden selbst populär Badenser, seltener (wenigstens bis jetzt) Badener heisst, wird bei uns [in Schwaben] mit dem Adj. bezeichnet; bes. Pl. die Badischen." Ähnliches berichtet das Badische Wörterbuch (1925; Bd. I, 107), das aber feststellt: "Badenser geht innerhalb des Landes ständig zurück".

Dennoch findet man auch heute noch Belege, die den Gebrauch des Wortes im 20. Jahrhundert und darüber hinaus innerhalb Badens anzeigen. So schreibt etwa Madeleine Fohrer in der "Sprachmonographie von Altenheim in Baden" (1967) im Wörterbuchteil bådansr = der Badenser. Und wenn man im Internet recherchiert, wird man z. B. auf die Badenser Käferschlenzer stoßen, ein seit 1987 tätiger Verein aus Mittelbaden von Freunden des VW-Käfers, die sich selbstverständlich als Badenser verstehen. Ebenso findet man bei der Appenweierer Musikgruppe "Im Hubbes Sini Kumbel " (www.hubbes.de) eine CD mit Titel Mir sin Baden(s)er, die ebenfalls mit den verschiedenen Benennungen kokettiert.

Auch der in Mannheim (Baden) ansässige Duden-Verlag bucht in seiner aktuellen Auflage des Großen Deutschen Wörterbuchs (10 Bände) Badenser neben Badener ohne irgendeine Markierung, die darauf hindeutete, dass beide nicht als synonym nebeneinander gelten könnten. Auch wer das Textkorpus des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim abfragt (es enthält riesige Datenmengen, darunter auch viele Zeitungen aus Deutschland, einschließlich Baden, Österreich und der Schweiz), wird feststellen, dass das Wort auch heute noch in Baden und außerhalb verwendet wird. Man findet dort in durchaus ehrenhaften Kontexten Belege für Badenser sowohl aus dem "Mannheimer Morgen" wie dem "Züricher Tagesanzeiger" oder den "Voralberger Nachrichten".

Die positive Verwendung geht auch aus einem Artikel von Jörg Lau in der "ZEIT" Nr. 41, S. 6 vom 5. Oktober 2006 hervor, in der unter der Überschrift "Wolfgang der Weise" sehr positiv über den Innenminister Wolfgang Schäuble und die gerade stattgefundene Islam-Konferenz berichtet wird. Man liest dort: "Nach der ersten Sitzung der  Deutschen Islamkonferenz im Schloss Charlottenburg sprach der Innnenminister Wolfgang Schäuble vorigen Mittwoch in gut badensischer Bescheidenheit von »einem wirklich guten Auftakt«".

Wie kommt es nun, daß manche in Baden meinen, der Gebrauch von Badenser stelle einen Affront gegen die Bevölkerung Badens dar?

Wer die obigen Textzeugnisse und darüber hinaus andere aus den genannten Datenbanken ansieht, wird feststellen, dass es keinen Hinweis gibt, dass Badenser abschätzig oder verächtlich gemeint ist. Im Gegenteil: Wenn Gottfried Keller mein lieb Badenserland schreibt, so wollte er sicherlich nicht die Einwohner Badens damit herabsetzen.

Wenn das Wort von den "Absendern" nicht negativ gemeint ist, wie konnte es da bei den "Empfängern" negativ empfunden werden?

Hierzu denke ich, gibt es zwei Erklärungsstränge:

Der erste liegt in einer übersteigerten Deutschtümelei, die alles was fremder Herkunft ist, ablehnt. Und da Badenser, wie wir oben gesehen haben, mit Einfluß der lateinischen Sprache entstanden ist, wurde es als auszumerzende Bastardbildung zurückgewiesen. Nur - wenn wir dies bei allen Elementen der deutschen Sprache so machten, wir könnten uns kaum noch ausdrücken.

Als zweite Erklärung könnte ein gewisses badisches Minderwertigkeitsgefühl unterstellt werden, das besonders im Kampf um den Südweststaat in eine gewisse Bunker- und Schützengrabenmentalität einmündete. Man sah sich in seiner badischen Sache von allen Seiten bedroht. Und wenn Robert Albiez, der Gründer der Badischen Volkspartei angeblich gesagt haben soll "Nur unsere Gegner nannten uns Badenser" (aus dem Internet - dort ohne überprüfbare Quellenangabe), so illustriert diese Bemerkung deutlich den eingeschränkten Blickwinkel: Weil einige Befürworter des Südweststaates das Wort Badenser benutzten, muss das Wort automatisch ein Schimpfwort sein.

Da sowohl in der Wortgeschichte, wie auch nach Aufweis der heutigen Wörterbücher die Bezeichnung Badenser objektiv keine negative Konnotation aufweist, wären wir als Bewohner von Baden schlecht beraten, wenn wir uns den Schuh anzögen und uns an Kampagnen gegen die Verwendung dieser jahrhundertealten und harmlosen Bezeichnung beteiligten. Kein Hallenser oder Jenenser, kein Weimeraner oder Hannoveraner käme auf die Idee, diese Bezeichnungen als Affront zu empfinden. Jeder kann sich ja selbst als Badener bezeichnen und diese Form für sich favorisieren, wenn er aber einmal anderswo Badenser hört, so sollte er die vielgerühmte badische Gelassenheit und Toleranz unter Beweis stellen.


4. Zusammenfassung

In der relativ jungen Geschichte Badens kamen für die Einwohner dieses Landes verschiedene Bezeichnungen auf. Alt und sehr volkstümlich sind die Bezeichnungen Badische und Bademer. Ebenfalls alt sind die gelegentlich bezeugten Formen Badner, Badnische, Badenische, Bademische, die im heutigen Gebrauch aber kaum noch eine Rolle spielen. Die Bezeichnung Badener hat sich über die Schrift- und Verwaltungssprache (Badische Verfassung) in den letzten zwei Jahrhunderten zur heute vorherrschenden Form entwickelt. Mindestens genau so alt ist die Form Badenser, die in ihrer Bildungsweise auf die lateinische Ableitung -(i)ensis zurückzuführen ist. Sie stammt aus der Gelehrten- und Studentensprache. Sie findet sich zahlreich in literarischen Zeugnissen des 19. Jahrhunderts (u. a. Goethe), ist aber auch noch bis in die Gegenwart gebräuchlich. Innerhalb Badens ist der Gebrauch von Badenser seit dem 20. Jahrhundert rückläufig und wird von einigen Badenern sogar ärgerlich zurückgewiesen, wofür es aber keine objektiven Gründe gibt. Ich empfehle die Form Bademer in mundartlichen Kontexten zu verwenden und die Form Badener in standardsprachlichem Gebrauch.


Verwendete Literatur (chronologisch geordnet):

Schwager, Johann Moriz: Versuch einer Geschichte der Hexenprozesse. Erster Band; Berlin 1784, S. 311.

Radlof, Johann Gottlieb: Formung mehrerer, besonders rhein-pfälzischer Oerter- und Landes-benennungen - 1) Bader, oder Badenser? In: Teutschkundliche Forschungen. 1. 1825, S. 256-259 (=Abdruck eines Beitrages aus der Badischen Wochenschrift 1806, Nr. 16).

A. M.: Sind wir Badenser, Badener oder Baden? In: Freiburger Wochen- und Unterhaltungsblatt vom 15. Februar 1831, S. 52. (Replik dazu von D. in der gleichen Zeitschrift vom 1. März 1831, S. 67-68.)

Kluge, Friedrich: Badener oder Badenser? In: Zeitschrift für deutsche Wortforschung. 1. 1901, S. 60-63. Nachtrag von Hermann Fischer S. 366.

Albert, Peter P.: Badener oder Badenser. ? In: Zeitschrift für deutsche Wortforschung. 3. 1902, S. 102-105.

Kluge, Friedrich: Badener oder Badenser? In: Wortforschung und Wortgeschichte. Leipzig 1912, S. 93-99.

Vortisch, Christian M.: Nachbarliche Reizwörter: Badenser. In: Das Markgräflerland 1987, Heft 2, S. 181.

Leßner, Reinhard: "Badenser" gibt's nicht. In: Badische Zeitung 28. 1. 1991.


Als neuere und umfassende Darstellung zu diesem Thema (die auch Bezug auf diese Darstellung nimmt) ist hervorzuheben:

Müller, Gerhard: Badener und Badenser. Anmerkungen zu einer alten Streitfrage. In: Badische Heimat, Dez. 2013, S. 803-809.


Dieser Artikel wurde 2005 erstmals online publiziert und gelegentlich erweitert.
Für Ergänzungen und weitere Hinweise mit Angabe der Quellen bin ich immer dankbar.

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